Happy Valentine Dresden!

Kategorie: Denk-Anstoß Erstellt: Dienstag, 14. Februar 2023 Drucken

Die vermeintlichen "Patrioten" nutzen den sogenannten Valentinstag, um lautstark gegen angebliche Kriegsverbrechen der Alliierten 1945 zu wettern, als die Stadt Dresden durch ein Flächenbombardement weiträumig zerstört wurde und tausende von Zivilisten ihr Leben verloren. Es wird dabei oft vergessen (oder unterschlagen): Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

Dresden Coventry Bombing

Während allerorten die Blumenhändler Hochkonjunktur haben und junge Pärchen einander verliebt in die Augen schauen, tritt bei den sogenannten "Freien Sachsen", einer von Verfassunbgsschutz beobachteten Kleingruppierung, die von einem gewissen Martin Kohlmann angeführt wird, das Rote in den Augen zutage. Kohlmann ist ein bekennender Rechtsnationaler mit stabilen Verbindungen in die rechtsextremistische Szene (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Kohlmann#Freie_Sachsen).

Warum die Herrschaften von der far-right-Fraktion sich so aufregen? Nein, nicht, weil niemand sie lieb hat, sondern weil an einem 14. Februar einer der Hauptangriffe der alliierten Bomberflotte auf die Stadt Dresden durchgeführt wurde (Area Bombing Directive). Im Zuge des in rechten Kreisen üblichen Sprach- und Geschichtsrevisionismus spricht man dort sogar relativierend vom "Dresden-Holocaust", was allein für sich schon eine nicht hinnehmbare Verhöhnung der Opfer der NS-Vernichtungslager darstellt.

  • Richtig ist, dass nach gemeinhin anerkannten Schätzungen in Dresden bis zu 25.000 Menschen im Bombenhagel den Tod fanden.
  • Nicht richtig ist, dass die Alliierten diese Form des Kriegsterrorts erfunden hätten. Das waren nämlich einmal mehr die Deutschen.

Fangen wir einfach mal ohne Geschichtsklitterung vorne an, ja?

Alles begann 1631 mit der sogenannten "Magdeburger Bluthochzeit", als bis zu 20.000 Bürger in einem Massaker während des Dreißigjährigen Krieges in einer einzigen Kriegshandlung von Graf Tillys kaiserlichen Truppen abgeschlachtet wurden, dann folgten Hungersnot und Seuchensterben. 1631 hatte Magdeburg noch rund 35.000 Einwohner, 1639 waren es nur noch 450 (vierhundertfünfzig!). Nach der Zerstörung Magdeburgs war lange Zeit der Begriff „magdeburgisieren“ als Synonym für „völlig zerstören, auslöschen“ oder als Sinnbild für „größtmöglichen Schrecken“ in die deutsche Sprache eingegangen.

Wir merken uns den Begriff "Magdeburgisieren".

Im Verlaufe des zweiten Weltkriegs, der mit immer härteren Bandagen ausgetragen wurde, kam es bereits im zweiten Kriegsjahr zu Vorfällen, die wegbestimmend für den weiteren Luftkrieg sein sollten. Die deutsche Luftwaffe begann, englische Städte zu bombardieren, und zwar ohne Rücksicht auf Zivilisten. Im September 1940 begann der als "The Blitz" benannte Angriff auf London. Rund 43.000 Zivilisten fielen dem Blitz zum Opfer, über eine Million Häuser wurden beschädigt oder zerstört.

Im November dann wurde die Stadt Coventry erstmals in der Nacht angegriffen und quasi dem Erdboden gleichgemacht ("Operation Mondscheinsonate"). Die Luftwaffe warf bei dem Angriff insgesamt etwa 500 Tonnen Sprengbomben, 50 Luftminen und 36.000 Brandbomben über Coventry ab. Etwa 60.000 Gebäude wurden durch Bombentreffer zerstört oder beschädigt. Dadurch, dass im Vorfeld des Angriffs Zielmarkierungsbomben abgeworfen wurden, hielten sich die zivilen Verluste noch in Grenzen, die Menschen konnten fliehen oder Schutzräume aufsuchen. Dieser Angriff war sicherlich nicht der Folgenreichste, doch er wurde von der deutschen Propaganda genutzt, um die Schlagkraft der Luftwaffe zu zelebrieren und klarzumachen, dass nicht die Zerstörung des Ziel war, sondern der Terror. Der Begriff "Coventrieren" wurde vermutlich von Joseph Goebbels geprägt und hat seinen Platz in einer Reihe von NS-Euphemismen gefunden.

Wir merken uns den Begriff "Coventrieren".

1942 mehrten sich im britischen Geheimdienst Erkenntnisse, dass die Deutschen über eine Raketenwaffe verfügen könnten, die aus der Ferne ganze Städte auszuradieren in der Lage sein sollte. Man beschloss also, das deutsche Mittel des Kriegsterrors einzusetzen, um den Gegner zu zermürben. Ab 1943 wurden vermehrt Luftangriffe auf Hamburg geflogen ("Operation Gomorrha"), die zu schweren Flächenbränden im Stadtgebiet führten ("Feuersturm"). Auch die Stadt Kiel wurde stark bombardiert, hier fielen allein etwa 500.000 Brandbomben, die etwa drei Viertel des Stadtgebietes zerstörten. Dier Briten nannten diese Vorgehensweise "hamburgisation".

Wir merken uns den Begriff "Hamburgisieren".

Die Deutschen schlugen zurück und griffen verstärkt kulturell bedeutsame Städte in England an, die keinen oder kaum militärischen Wert besaßen, die Briten nannten diese Angriffe "Baedeker Blitz". Auch die Allierten begannen nun mit dem Angriff auf kulturelle Ziele, z.B. Lübeck, Rostock usw. - die Spirale der Verwüstung drehte sich immer schneller.

Spät im Jahr 1944 lag in deutschlands siebtgrößter Stadt Dresden der aktivste Verkehrsumschlagplatz der sich an allen Fronten auf dem Rückzug befindlichen deutschen Streitkräfte und geriet nun in das Visier der Bomberflotten. Die RAF plante die "Operation Thunderclap", um den Kriegswillen der Deutschen zu brechen, zumal es gewisse Gerüchte um Kernspaltungswaffen gab, die Deutschland entwickelte. Vom 24. August 1944 bis zum 17. April 1945 wurden 9 große Bomberangriffe auf Dresden geflogen, die großflächige Zerstörungen anrichtete.

Arthur ("Bomber") Harris schätzte die Wirkung in einem Schreiben an das Air Ministry so ein:

  • Actually Dresden was a mass of munitions works, an intact government centre, and a key transportation point to the East. It is now none of these things.
  • Dresden war eine Ansammlung von Munitionsfabriken, ein intaktes Verwaltungszentrum und ein Knotenpunkt für Transporte nach Osten. Nun ist es nichts mehr davon.
    (Arthur Harris: Schreiben vom 29. März 1945)

Wenn man sich also die Geschichte des Terrorkrieges durch Flächenbombardement anschaut, so bleibt die Erkenntnis, dass eine Seite nicht besser war als die andere. Aber den Alliierten Vorzuwerfen, sie hätten als Einzige diese furchtbare Form des Krieges angewendet, ist schlichtweg Geschichtsklitterung.

Erfunden haben den Terrorkrieg die Deutschen. Was man den Alliierten vorwerfen kann, ist, dass sie den Handschuh aufgenommen haben. Das jedoch ist kein Grund, wie die far-right-Ultras herumzujammerm. Krieg ist immer furchtbar. Und im Krieg stirbt bekanntlich die Wahrheit zuerst.

[ERGÄNZUNG] Zu diesem Artikel, insbesondere zu dem im Titelbild wiedergegebenen Screenshot schrieb mir NEIDTHARD KUPFER von www.mentopia.net noch eine  ausführliche Ergänzung:

1.) Zu Nemmersdorf - weder wurde das Dorf dem Erdboden gleichgemacht noch wurden die Bewohner "mit Stumpf und Stiel", wie diese Irren es formulieren, ausgerottet. Es wurde auch niemand "gekreuzigt". Was diese Psychopathen im zitierenden Screenshot da ins Netz kacken, ist die originale Goebbels-Propaganda zu den Ereignissen. In dem Dorf (1939 637 Einwohner) wurden nach der Einnahme durch die Rote Armee insgesamt einem Bericht von Hans Hinrichs zufolge 26 Zivilisten getötet, drunter fünf Kinder - ein Teil von ihnen wurde offensichtlich hingerichtet. Hinrichs war nicht irgendwer, er war seinerzeit Referent in der Abteilung Fremde Heere Ost, in dieser Eigenschaft reiste er nach Nemmersdorf, von 1949 bis 1955 war er Referatsleiter Militärische Auswertung Heer und Marine in der Organisation Gehlen, ab 1955 machte er eine steile Karriere in der neu gegründeten Bundeswehr, zuletzt als Kommandierender General des I. Korps des Heeres in Münster. Sein Bericht deckt sich mit denen der offiziellen Inspekteure der Geheimen Feldpolizei sowie denen anderer Berichterstatter, die von der Wehrmacht nach der Rückeroberung nach Nemmersdorf entsandt wurden, wie zum Beispiel Kriegsgerichtsrat Groch.  Heinrich Himmler hatte sogar Karl Gebhardt, Generalleutnant der Waffen-SS und Himmlers Leibarzt, nach Nemmersdorf zur Inspektion der Ereignisse geschickt. Die höchste Zählung nennt 30 Zivilisten. Ich für meinen Teil halte es für sehr fragwürdig, dass die Ereignisse bis heute mit dem Goebbelschen Propagandabegriff "Massaker von Nemmersdorf" bedacht werden.
Bei aller Tragik - interessant an den Ereignissen ist etwas anderes, was die bundesdeutschen Geschichts- und Schulbücher - wenn überhaupt - nur als Fußnote berichten. Es gibt Augenzeugenberichte, dass polnische Zwangsarbeiter, die auf den Höfen der Deutschen arbeiten mussten, ihre "Gutsherren" als Polen verkleideten und gegenüber Rotarmisten als Polen ausgaben, was möglicherweise deren Leben rettete. Aus dem benachbarten Gut Eszerischken wurde berichtet, dass Rotarmisten, als sie offenkundig Anstalten machten, die deutschen Bewohner des Gutes zu erschießen, wegen der Proteste seitens der polnischen Zwangsarbeiter von ihrem Vorhaben abließen.
2.) Hermann Göring war nicht der Erfinder des moral bombing. Das wurde als Strategie in der Area Bombing Directive formuliert und am 14. Februar 1942 vom britischen Luftfahrtministerium als General Directive No.5 S.46368/D.C.A.S ausgegeben. Dafür verantwortlich war übrigens nicht - wie heute allerseits behauptet - Luftmarschall Arthur Harris, sondern der Marschall der  Royal Air Force Charles Portal, 1. Viscount Portal of Hungerford. Harris wurde in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber des RAF Bomber Command lediglich angewiesen, diese Direktive umzusetzen. So gesehen ist es falsch, wenn Wikipedia vom "von ihm angeordneten Flächenbombardements deutscher Städte" schreibt - er hat es nicht angeordnet, sondern die Anordnung umgesetzt - was natürlich seine Verantwortung nicht mindert.
Beim sogenannten Luftkrieg muss man deutscherseits - wie auch in der Gesamtstrategie - zwischen den Strategien an der West- und an der Ostfront unterscheiden. Der Krieg im Westen war ein Eroberungskrieg, der im Osten vom ersten Tag an ein Vernichtungsfeldzug, der erklärtermaßen die Zivilbevölkerung einschloss. Deshalb war die Bombardierung Warschaus eine auf Vernichtung ausgelegte - es existierte sogar ein nach dem Stadtplaner Friedrich Pabst benannter, schon vor Kriegsbeginn in Angriff genommener Plan zur vollständigen Zerstörung Warschaus und der Errichtung einer "Neuen deutschen Stadt Warschau" an derselben Stelle.
Die Bombardierungen britischer Küstenstädte und anfangs auch der London Blitz hingegen zielten auf die Zerstörung von Militär- und Industrieanlagen. In diesem Kontext ist im Luftkrieg gegen England die Chronologie zu beachten, was aber - das sei ausdrücklich festgestellt - weder die Kausalitäten noch die Verantwortung des Deutschen Reiches tangiert, geschweige den relativiert. Weil Wikipedia diese Chronologie in kurzer Form ziemlich exakt auf den Punkt bringt, zitiere ich der Übersichtlichkeit halber.
2.1.) The Blitz: »Am 24. August 1940 flog die Luftwaffe einen nächtlichen Angriff auf Thames Haven, bei dem einige deutsche Bomber versehentlich und gegen Hitlers direkten Befehl auch Bomben auf London abwarfen. Dabei erzielten einige Dutzend deutsche Bomber 76 Treffer, die meisten in Vororten. Als Antwort darauf flog die Royal Air Force mehrere Nachtangriffe gegen Berlin und bombardierte Berlin-Kreuzberg und Wedding. Hitler befahl daraufhin am 5. September 1940, die Luftwaffe solle von nun ab vor allem britische Städte, einschließlich London, bei Tag und Nacht angreifen.« [https://de.wikipedia.org/wiki/The_Blitz]
BTW - die Historikerzunft ist sich weitgehend einig, dass diese Entscheidung Hitlers der erste Schritt zum Scheitern an der Westfront war. Die britische Luftwaffe und ihre Flugzeugplätze sowie die die Rüstungsindustrie waren durch die Konzentration der deutschen Luftwaffe schwer getroffen und wenn sie bei dieser Strategie geblieben wäre statt Ressourcen bindend zivile Ziele anzugreifen, hätte die britische Verteidigungsfähigkeit das vermutlich nicht überstanden.
2.2.) Coventry: »Die Angriffe auf die Stadt Coventry am 14. November 1940 und am 8. April 1941 waren die schwersten Bombenangriffe des Krieges bis dahin. Diese Angriffe prägten in der deutschen Propaganda den Begriff Coventrieren, der das Vernichten einer Stadt bedeutet, um die Moral des Feindes zu brechen. Diese Formulierung war indes eine propagandistische Übertreibung, da sich die Angriffe in erster Linie gegen militärische Produktionsstätten richteten.«  [https://de.wikipedia.org/wiki/Luftschlacht_um_England]


[EDIT] Tja, und solche Kommentare kommen dann, wenn man nicht lesen kann, sondern impulsgesteuert drauflos schreibt. Das ist übrigens derselbe User, der mich in der TG-Gruppe "Freie Rendsburger Faschisten" (oder so ähnlich) als "Nazi Schreiberling" titulierte. Ein faszinierendes Beispiel, wie der ständige Gebrauch der Blödenlaterne den Leuten das Resthirn garkocht.

Nazikommentare

Faszinierend, wie die Faschisten von heute versuchen, die Begriffe zu redefinieren. Für die war Hitler ja auch ein "Sozialist". Okay, die fehlerfreie Anwendung der deutschen Muttersprache bereitet dem "Patrioten" Marco noch ein paar Schwierigkeiten, aber vielleicht besucht er bei der VHS mal nen B1-Deutschkurs? Zahlt bestimmt das Arbeitsamt.


Hier ein interessanter Artikel über die Vernetzung der sog. "Freie Sachsen" im Internet: https://der-stoerenfried.de/denk-anstoss/98-steter-tropfen

Zugriffe: 1696

Empfehlung

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.