Das Dilemma mit der Sklavenmaske
(von Olaf Francke)
Ja, die Mund-Nase-Bedeckung nervt manchmal. Als Asthmatiker musste ich mich auch erst dran gewöhnen, weil sich Atemrhythmus und -widerstand ändern. Und nein, ich bin im letzten halben Jahr nicht daran verstorben und ich bin nach wie vor in der Lage, meine Bürgerrechte wahrzunehmen. Erstaunlich, nicht wahr? Ach ja, und ich bin nicht an / mit / wegen / trotz "Corona" zugrunde gegangen. Das war auch der Plan.
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Langsam bin ich es wirklich leid. Die Verrohung der Sprache und die Kultivierung des Vorurteils nimmt inzwischen Ausmaße an, die ich noch vor Monaten nicht für möglich gehalten hätte. Ich werde von Leuten, die ich zum Teil nicht einmal kenne, in sozialen (sic!) Netzwerken angepöbelt, weil ich mich dafür einsetze, durch das Tragen von MNS in Supermärkten und anderen Stätten der Begegnung und durch das Einhalten gewisser Abstände untereinander eventuell die Infektionsgefahr zu reduzieren. Man beleidigt mich, nennt mich ein "Schlafschaf" (was immer das auch sei), spricht mir gesunden (sic!) Menschenverstand ab und fordert mich auf, zu "erwachen" - ein Terminus, den ich sonst nur aus Kreisen sektiererisch-religiöser Ereiferer kenne.
Okay, ich habe eine medizinische Grundausbildung, einen speziellen Hygiene- und Infektionsschutzkurs absolviert und besuche regelmäßig die sanitätsmedizinische Fortbildung, also: Was weiß ich schon von Viren und deren Übertragung?
Besonders berührt mich, dass selbst Leute aus meiner Freudesliste zu Che Guevaras mutieren, wenn das Thema Infektionsschutzmaßnahmen auch nur im Entferntesten tangiert wird. Da ist es plötzlich die "Sklavenmaske" oder der "Maulkorb", mit der/dem Bill Gates und seine willfährigen Handlanger (unsere gewählte Regierung und das Parlament) meinen unbedingten Kadavergehorsam einfordern. Ich bin wahrscheinlich sowas von im Schaftiefschlaf, dass ich das gar nicht mitbekomme. Wahrscheinlich bin ich einfach nur nicht intelligent genug.
Okay, ich schreibe politische Bücher, verschiedene Sachbücher (ja, auch über Notfallmedizin), ich betreibe ein systemkritisches Blog mit Podcasts und Videochannel, also: Was weiß ich schon von den Funktionen eines föderalistischen Systems?
Was stimmt nicht mit all den Leuten? Neulich wurde ich aus einer Gruppe geworfen, die sich rühmt, "kritisch & konstruktiv" mit Politik umzugehen, weil ich es wagte, einen exakt recherchierten und journalistisch hervorragend verfassten Artikel meines Freundes Neidthard Kupfer von Mentopia.net zu verlinken, darin ging es um die Ungereimtheiten in der Causa Nawalny. Ausgerechnet jene, die tagein, tagaus auf die "Mainstream-Medien" schimpfen, sich regierungskritisch geben und sich selbst bisweilen ganz bescheiden als "Dissidenten" bezeichnen, kicken jemanden, der auf echte alternative Medien mit klarer Faktenlage verweist. Statt dessen teilen sie im Minutentakt die Videobeweise medizinischer Inkompetenz von angeblichen Ärzt*Innen, die ein Verschwörungsnarrativ nach dem anderen ins Netz blasen.
Ich will mir nicht die Mühe machen, jede dieser Geschichten im einzelnen zu widerlegen, das habe ich lange getan und feststellen müssen, dass Fakten inzwischen vollkommen irrelevant geworden sind. Es artet aus in einen Wettbewerb des bloßen Dafürhaltens, der Voreingenommenheit und es nimmt allmählich die hässlichen Züge eines Glaubenskrieges an. "Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein" - das scheint das Motto des modernen, mobilfunkgestützten Zweizeiler-Kommunikationsgebahrens zu sein.
Was die Verfechter dieser Spaltpilzkultivierung offenbar nicht zu erkennen vermögen, ist, dass sie damit genau dem Handlungsschema entsprechen, das sie den sogenannten "Schlafschafen" zubemessen, sie verbreiten nämlich ungefiltert und emotional präferiert nicht verifizierte Daten. Gern diskutiere ich mit manierlichen, austauschorientierten Gesprächspartnern über Für und Wider, Nutzen und Kosten von Maßnahmen, die auch ich nicht bedingungslos unterstütze und bei denen auch ich deutliche Kritikpunkte sehe. Aber ich weigere mich, mit Leuten zu kommunizieren, die mir virtuell ins Gesicht schreien, ich sei ja nur zu dämlich oder so. Interessanterweise kommen solche Anwürfe in der Mehrzahl dann von Leuten, denen sich bereits mit der korrekten Nutzung ihrer Muttersprache schier unüberwindliche Hürden auftun. Da wird der Dunning-Kruger-Effekt zum Dogma.
Ich habe mir vorgenommen, auf solche Spitting Image und Schreiwettbewerbe nicht mehr einzugehen, denn das kostet einfach zu viel Lebenskraft. Ich halte mich an das, was ich gelernt habe und an das, was ich für mich zweifelsfrei recherchieren und aus möglichst unabhängigen Quellen verifizieren kann. Und wer mir dumm kommt, dem zeige ich ganz unspektakulär, wo meine Freundesliste den Ausgang hat.
Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung (oder was er dafür hält), und jeder soll das Recht haben, diese öffentlich zu äußern, das kann ich tolerieren. Aber ich weigere mich, das unreflektierte Dafürhalten von Verbalterroristen a la KenFM oder anderen Leuten ähnlichen Kalibers zu akzeptieren. Ich möchte mit solchen Leuten auch nicht länger befreundet sein und ich finde es absolut in Ordnung, wenn die "Volksaufklärer über die Sklavenmaske der Weltfinanzelite" sich freiwillig außer Rufweite meiner Freundesliste begeben.
Ich habe fertig.
*Schnutenbüx aufsetzt und einkaufen geht*
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Nachtrag 01.10.2020: FAKENEWS
Die notorischen Maskenverweigerer schrecken vor nichts zurück. Nun versuchen sie, verunsicherte Eltern in Panik zu versetzen, damit diese ihren Kindern untersagen, Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen. Es wird behauptet, es seien nun bereits DREI Kinder "wegen Maskenpflicht" verstorben. Ein solches Verhalten ist absolut inakzeptabel und gehört m.E. strafrechtlich verfolgt. Das ist NICHT WITZIG.
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