Ist doch nur ne Grippe
(von Olaf Francke)
In den sogenannten "sozialen Medien" findet man häufig Postings und Kommentare, in welchen die Ersteller die CoVid-19 Erkrankung mit der Influenza/Grippe vergleichen, da es sich bei SARS-CoV-2 ebenfalls um ein Coronavirus handelt. Doch, ist das sinnvoll?
"Ist doch nur ne Grippe" ... "Wie Schnupfen" ... "Kann man auskurieren" ... Sätze wie diese begegnen uns derzeit häufig in der öffentlichen Ventilierung eines Problems, das von den zuständigen Gesundheitsorganisationen und -behörden derzeit als Pandemie eingestuft wird, da sich das Infektionsgeschehen über beinahe 200 Länder erstreckt und beunruhigende Zahlen erzeugt, was positiv getestete Personen und im Zusammenhang mit der Infektion verstorbene Menschen betrifft.
Mit Stand 23.12.2020 notiert das Robert-Koch-Institut für Deutschland:
- Gesamtzahl der bekannten Infektionen: 1.554.920
- Gesamtzahl der Toten i.V.m. CoVid-19: 27.968
- 7-Tage-Fallzahl: 162.265
- 7-Tage-Inzidenz/100.000 EW: 195,1
Mit Stand 23.12.2020 notiert die World-Health-Organisation weltweit:
- Gesamtzahl der bekannten Infektionen: 76.382.044
- Davon Europa: 24.099.615
- Gesamtzahl der Toten i.V.m. CoVid-19: 1.702.128
- Davon Europa: 530.752
Nun lesen wir häufig netzweit in Kommentaren Aussagen wie (beispielhaft): "An der Grippe 2018 sind 25.000 Menschen in Deutschland verstorben. Das war schlimmer." - Diese Zahlenangabe stimmt so nicht unbedingt. In der Grippesaison 2017/18 verstarben in Deutschland laborbestätigt "nur" 1.176 Menschen (nach RKI-Jahresbericht 1.674, Quelle: https://influenza.rki.de/Saisonberichte/2018.pdf, S.47), in der Grippesaison 2018 dann 3.029 Menschen, was sicher auch dem Umstand geschuldet ist, dass bei der Grippe die Risikogruppen regulär gut durchgeimpft sind. Die immer wieder verbreitete Zahl von "25.000" basiert im übrigen auf einer Exzess-Schätzung des RKI aus der Grippesaison 2017/2018, für die ein hohes Aufkommen an Grippetoten (ähnlich 1995/96) erwartet wurde. Selbst wenn diese Zahl laborbestätigt zustande gekommen wäre, so ist sie durch die aktuellen Todesfallzahlen überholt worden.
Natürlich kann man nun trefflich darüber streiten, ob ein Patient nun "mit" CoVid-19 verstorben ist, oder "an". Aber eine solche Diskussion ist nicht besonders sinnvoll. Sie lässt sich natürlich auch auf die jeweilis aktuelle Grippewelle anwenden. Ein unumstößlicher Fakt ist, dass die Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus im Falle eines CoVid-19 Krankheitsausbruches für den Patienten unter Umständen schwerwiegende Folgen hat, die besonders bei vulnerablen Personen nicht selten zum Tode und bei Patienten, welche die Erkrankung überleben, häufig zu lang anhaltenden Folgeschäden führen.
Das neuartige Coronavirus verbreitet sich in einem Pandemieszenario mit einer hohen Erkrankungs- und Sterblichkeitsrate, wie anhand der nachfolgenden Statistik ersichtlich ist:
Allein schon, weil gegen die jährlichen Grippevirenstämme zum Teil gut wirksame Impfstoffe breitenwirksam verfügbar sind, kann man das Erkrankungsgeschehen von Grippe und CoVid-19 nicht direkt miteinander vergleichen, sondern diese Vergleiche lediglich als Indikatoren ansehen für die Gefahreneinschätzung. Der WDR hat dies in einer recht simplen Grafik einmal dargestellt, diese bildet natürlich nur einen subjektiv gewählten Fokus ab, der nicht als vollständige und exakte wissenschaftliche Betrachtung herangezogen werden kann und sollte.
Man kann nun natürlich dahergehen, und einfach postulieren, CoVid-19 sei nicht schlimmer als die Grippe, schließlich war ja die spanische Grippe auch nur eine Vogelgrippe. Aber genau das könnte zu gefährlichem Leichtsinn führen. Fakt ist: Durch (oder mit) Covid-19 sind in Deutschland in diesem Jahr bereits fast 28.000 Menschen gestorben, allein gestern, am 22.12. waren es fast 1.000 - und die Zahlen sinken derzeit nicht. Insofern machen die Diskussionen um die Grippe überhaupt keinen Sinn, wichtig allein ist, in einem Zusammenspiel von Vermeidung, Behandlung und Impfung die Ausbreitung des Virus zum Erliegen zu bringen.
A propos Impfung. Viele Kreuz- und Querdenker, Reichsromantiker, Verfechter preußischer Tugenden und lautstarke Impfgegner möchten sich ja nicht impfen lassen. Da hätten sie aber im alten Reich schlechte Karten gehabt, ohne "Vaccinations-Attest".
Hier das Pockenimpfattest der Frau Magdalene Dorothea Luise Schumann aus Kiel von 1828/1842. Im Jahr 1810 erließ der dänische König eine Schutzimpfverordnung. Die Teilnahme war zunächst freiwillig, man hoffte aber auf die Unterstützung durch die Geistlichen im Königreich, die aufgefordert waren, keine Trauungen ohne Vorlage einer Impfbescheinigung der Brautleute vorzunehmen. Die Geimpften erhielten nach erfolgreicher Impfung ein "Vaccinations-Attest", das bei verschiedenen Gelegenheiten (z.B. Konfirmation, Verlobung, Hochzeit, Musterung ... ) vorgelegt werden musste.
Quelle: Facebook-User Ulli Lasch / Wikimedia.org
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vaccinations-Attest_Schutzblattern_1828.jpg
https://sites.google.com/site/ahnensucheimamteutin/pocken-in-schleswig-holstein
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