Passierschein A38
Der Versuch, eine simple Meldeangelegenheit zu regeln. Bearbeitungsdauer: Maximal 5 Minuten. Anruf beim Amt im Nachbardorf.
*riiiing*
Ich: "Guten Tag. Ich möchte eine Meldeangelegenheit regeln. Haben Sie geöffnet?"
Amt: "Ja, aber Sie brauchen einen Termin."
Ich: "Gut, kann ich eben rumkommen?"
Amt: "Nein, Sie müssen online einen Termin vereinbaren."
Ich: "Warum? Frau (persönlich bekannt), Sie sitzen im Büro, ich bin quasi nebenan, da kann ich doch eben rumkommen."
(Man muss dazu sagen, dass die Damen, die da wechselweise in Halbtagsjobs arbeiten, einen wirklich sehr, SEHR entspannten Arbeitstag haben)
Amt: "Nein, Sie brauchen einen online Termin. Haben Sie Internet?"
(Eine auf dem Dorf berechtigte Frage, allerdings sieht sie, dass ich vom Festnetz VoIP telefoniere, also werde ich wohl "Internet haben")
Ich: "Internet? Mal ja, mal nein."
Amt: "Ich kann Ihnen sonst auch hier online einen Termin buchen."
Ich: "Gern."
Amt: "Wann möchten Sie denn?"
Ich: "Jetzt."
Amt: "Das geht nicht. Morgen?"
Ich: "Von mir aus morgen."
Amt: "Uhrzeit?"
Ich: "Jo, so um zehn."
Amt: "Das geht nicht. Zehn Uhr fünfzehn ginge."
(Im Ernst?)
Ich: "Dann das. Was ist, wenn ich um Zehn Uhr sechzehn komme? Gehen ja nicht alle Uhren synchron."
Amt: "Nun wollen wir mal nicht korinthenkackerisch werden, ja?"
(Ach, wirklich, sagt WER?!?)
Ich: "Ich mein ja nur..."
Amt: "Sie bekommen von mir jetzt einen viertstelligen Code."
Ich: "Was bitte?"
Amt: "Einen Code. Den müssen Sie am Eingang eingeben, um einzuchecken."
Ich: "Wozu ist das gut?"
Amt: "Damit wir wissen, wer hier war."
Ich: "Sie erinnern sich? Wir kennen uns."
Amt: "Das Programm will das aber so. Ihr Code ist *XXXX* Sind Sie einverstanden, dass ihre Telefonnummer notiere?"
Ich: "Ja."
Amt: "*gibt Nummer durch* Ich notiere, dass Sie einverstanden sind. Es hört auch niemand mit hier"
(Natürlich nicht, sie sitzt allein im Büro)
Ich: "Ja, ja... bis morgen dann."
Das ist absolut krank. Die sitzen sich da im Büro den Allerwertesten platt bei maximal (!) 16 Terminen pro Tag (bei 15-Minuten-Slots), das macht bei vier Arbeitstagen (Mittwoch ist ja zu, Donnerstag 2x geöffnet) insgesamt 80 Fälle, die pro Woche (!) abgearbeitet werden können. Das machen andere Büros in zwei Stunden.
Der BÜRGERSERVICE erlaubt es dem Bittsteller, nach Erhalt einer elektronischen Zutrittsberechtigung bei der Schreibkraft vorzusprechen, um ein simples Anliegen, das Ausfüllen einer Anmeldemaske im System und das Aufdrücken eines Stempels erledigen zu lassen. Aber bitte nur mit Onlinetermin und Code. Warum muss ich gerade an den Film BRAZIL denken?
Früher ist man zur Öffnungszeit ins Meldebüro gegangen, hat gesagt, was man wollte und war nach drei Minuten wieder draußen. Heute muss man Tage vorher online bekanntgeben, was man möchte, bekommt einen Terminslot, der unbedingt einzuhalten ist und darf sich dann seinen Stempel abholen. Wohlgemerkt, ich lebe nicht in Hamburg-Altona, sondern auf einem Kuhdorf, das nichtmal mehr eine eigene Verwaltung hat. Seit wir Computer benutzen, ist ja alles so viel einfacher geworden.
SO funktioniert bürgernahe, vereinfachte Verwaltung 2021. Aber die Ampelkoalition will das alles ja "vereinfachen". Schöne neue Welt, und so klimaschonend.
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Nachtrag. Spaßfaktor: Ich war heute DOCH um Zehn da. Niemand im Flur. Vor mir eine Dame, die keinen Termin hatte und nicht "eingechecked" war. Die wurde anstandslos bedient. Ich kam dann auch gleich dran. Um Zehn. Was ja an sich "nicht ging". Eine Farce.
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